Familie Schreitter Ritter von
Schwarzenfeld
Erinnerungen
an Onkel Peter
| Notizen von Karl Schreitter |
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Meine Erinnerungen an Onkel Peter Schreitter von
Schwarzenfeld
Geb.27.7.1837 in Liebotschan,gest.13.3.1892 in Kaaden.
Nach einer Reihe von Töchtern und früh verstorbenen
Söhnen wurden dem Herrschaftsbesitzer Josef Schreitter auf Schloss
Liebotschan 4 Söhne geboren und zwar als 11.Kind Josef, als 12.Peter,
als 13. Ludwig, als 14. Paul, von welchem jedoch nur die 3 Ältesten den
Stamm fortsetzten.
Die Buben wuchsen in Liebotschan auf. Sie wurden, wie
dies infolge des damals primitiven Standes der Volksschulen, bei den
begüterten Familien üblich war, von einem Hofmeister unterrichtet.
Diesem machte Peter, der ein lebhaftes und oft
ungezügeltes Temperament hatte, oft schwer zu schaffen. Mein Großvater
Ludwig erzählte mir, daß Peter oft von dem Unterricht fern blieb, sich
im Park versteckte und dann von einem Baum heruntergezogen werden
musste.
Durch den Liebotschaner Schlosspark floß ein kleiner
Bach, in welchem die Buben ein Wasserrad einbauten, mit dem sie eine
kleine Mühle betrieben und ihnen viel Freude machte. Vielleicht lag
ihnen noch die Müllerei ihrer Großväter im Blute.
Die Knaben wuchsen zu kräftigen, stattlichen Männern
heran, wenn sie auch nicht die Riesenkräfte ihres Vater Josef erbten,
welcher als der stärkste Mann im Saazer Kreis galt.
Sie sahen einander sehr ähnlich, alle etwas über 170cm
hoch, mit blauen Augen, vollen Lippen, und starken Nasen, das Haar
kastanienbraun, die energischen Züge umrahmt von einem Vollbart, den
die damalige freiheitlich gesinnte junge Generation gleichsam als
Protest gegen die Mode des Glattrasierens in der Metternichzeit trugen.
Die Ähnlichkeit erstreckte sich auch auf die nächste
Generation; insbesondere mein Vater (Sohn Peters Bruder Ludwig und der
Tochter seiner Schwester Julie Rampelt) sah Peter außerordentlich
ähnlich. Sein Sohn Walter sagte mir öfter, daß, wenn er seinen Vater
sah, glaubte den seinen vor sich zu sehen.
Kaum herangewachsen, interessierten sich die Söhne
lebhaft für Politik, vor allem Josef und Ludwig, weil Letzterer sein
Leben lang im öffentlichen Leben stand. Wie die Jugend dieser Jahre
waren sie begeisterte Liberale und Gegner des absoluten Regimes. Schon
ihr Vater Josef gehörte der liberalen Richtung an, was ihm auch oben
übel vermerkt wurde.
Er erhielt infolgedessen auch nicht die Fideikommisseigenschaft
(Das Familienfideikommiss
fiddei commissum ‚zu treuen [Händen] belassen‘ ist eine
Einrichtung des Erb- und Sachenrechts,
wonach durch Stiftung das Vermögen einer Familie,
meist Grundbesitz,
auf ewig geschlossen erhalten werden sollte und immer nur ein
Familienmitglied allein, der Fideikommissbesitzer, das Nießbrauchsrecht innehatte.
Davon zu unterscheiden ist das private Grundeigentum eines
Familienmitglieds (des Landesherrn),
die Schatulle,
die seiner freien Verfügung zu Lebzeiten und von Todes wegen unterlag.)
seiner Väter zuerkannt, was
seinem Nachbarn, dem Freiherrn von Besmer
gelang, trotzdem dessen Besitz weitaus kleiner war. Die politischen
Ziele finden ihren Niederschlag in den Forderungen, welche laut Saazer
Stadtchronik, Josef
überreicht die beigeschlossen werden.
Die 3 älteren Brüder heirateten alle sehr früh,
machten Liebesheiraten,
und hatten alle das Glück, 3 kreuzbrave
Frauen zu bekommen, die ihnen eine reiche Nachkommenschaft schenkten,
Aber keiner der Brüder konnte sich so vieler Söhne
rühmen, wie Peter, wenn auch zu seinen Lebzeiten keiner selbst wieder
Söhne hatte, weshalb ihn mein Vater öfter hänselte, daß er ein
dürrer Ast der Familie sei .
Wie würde er sich freuen, wenn er die wackeren Sprossen
seines Enkels Julius sehen könnte.
Aber bald trat der Ernst des Lebens an die Brüder
heran.
Der Gesundheitszustand ihres Vaters hatte sich so
verschlechtert, daß er einige Monate vor seinem Tode, seinen Besitz an
seine 4 Söhne übergab, von denen jedoch der jüngste nach Amerika
auswanderte und ums Leben kam.
Bei der Unübersichtlichkeit des weitläufigen Besitzes
war die Übergabe eine Schwierige.
Sie wurde hauptsächlich von der autoritär veranlagten
Witwe kommandiert, die sich hierbei von der ebenfalls energischen
Tochter Matt
beeinflussen ließ.
Ein Laben lang hatten die Damen im Überfluß gelebt,
und konnten sich nicht vorstellen, daß sich die Verhältnisse geändert
hatten. Bei der Mutter spielte auch die Erinnerung an den
österreichischen Staatsbankrott des Jahres 1811 mit, welcher sie dem
damals krisenfesten Wert von Grund und Boden ebenso überschätzen
ließ, als sie die Lasten, welche sie den jungen Söhnen aufbürdete,
für angemessen hielt. Die finanzielle Lage war durchaus nicht
glänzend. Es war zwar ein großer Grundbesitz vorhanden, aber fast alle
Güter waren mit Hypotheken belastet.
Die Landwirtschaft hatte schwere Jahre hinter sich, der
Ertrag der Güter war gesunken und die hochherrschaftliche, gastfreie
Lebenshaltung in Liebotschan, die Ausstattungen der Töchter, die auch
noch fortwährend mit Wünschen und Bitten kamen, hatten steigend große
Beträge verschlungen.
Paul bekam bei seiner Auswanderung 10.000 Gulden in bar
mit.
Auch der Prozeß, welchen ein von Peter geohrfeigter
Kaadener Bürger gegen ihn angestrengt hatte, gestaltete sich sehr
kostspielig. Der Geohrfeigte hatte behauptet, daß er infolge der
Mißhandlung das Gehör verloren habe und verstand es, sich so geschickt
zu verstellen,da0 der Staatsanwalt ein Verfahren wegen schwerer
Körperverletzung gegen Peter einleitete.
Um einer Verhaftung zu entgehen, floh Peter nach
Dänemark und erst in einem langwierigen Prozeßverfahren gelang es, mit
Hilfe von Universitätsgutachten, den Geohrfeigten als Simulanten zu
entlarven, so daß Peter wieder zurückkehren konnte.
Die 3 Söhne übernahmen schließlich gemeinschaftlich
zu gleichen Teilen die Güter Steinwasser b/Brühs
und Seehaus mit Würgnitz bei Kaaden. Um
sich der Landwirtschaft zu widmen, verließ Pater die von ihm
eingeschlagene Militärlaufbahn. Die Übernahme erfolgte zu ungünstigen
Bedingungen. Es mussten nicht nur die alten Lasten übernommen, sondern
laufende Herauszahlungen geleistet werden. Da sie kein Bargeld
übernahmen, mussten zu diesem Behufe hochverzinsliche Verbindlichkeiten
eingegangen werden. Ich habe selbst den auf blauem Briefpapier
geschriebenen Brief gelesen, den Ludwig an seine Mutter schrieb, in
welchem er sich bitter darüber beklagte, daß den Söhnen so untragbare
Lasten aufgebürdet würden.
Trotzdem wurden die Güter gut bewirtschaftet. In
Steinwasser wurde die erste Dampfdreschmaschinen in Betrieb genommen,
was in der Chronik der Familie Herglots festgehalten ist, die mit den
Schwarzenfelds befreundet war.
In dieser Familie wurde auch eine Uhr aus der
Uhrensammlung des Josef aufbewahrt, welche dieser seinem Freund Herglots
geschenkt hatte. Diese war damals bemerkenswert, weil sich in ihr im
Ticktack ein Paar umarmte. Zu jener Zeit grassierte die Leidenschaft des
Kartenspielens in der dortigen Gegend wie eine Epidemie, so daß in
manchen Dörfern viele Besitzer um Grund und Boden kamen. Auch Peter
erlag dieser Leidenschaft, aber so gern er spielte, so hatte er meist
schlechten Erfolg. Verleitete ihn doch sein lebhaftes ,eigenmächtiges
Temperament, zu dem Glauben, das Glück erzwingen zu können. So kam es
,daß er seinen Anteil mit Überentnahmen belastete, was sein Bruder
Josef noch in größerem Ausmaß machte. Von seiner Spielleidenschaft
wurde er allerdings auf recht schmerzliche Weise kuriert. Er hatte die
Aufgabe die Ernte in Komotau zu verkaufen. Er tat dies und erzielte
über 10.000 Gulden. Er geriet jedoch in einem Komotauer Gasthaus in
eine Spielgesellschaft und verlor den ganzen Betrag. Es kam dann zur
Auseinandersetzung der Gemeinschaft und erhielt Peter eine kleinere
Herauszahlung gegen Anerkennung seiner Verbindlichkeiten an die
Gemeinschaft, was jedoch nur theoretisch war, denn es wurde hiervon nie
etwas verlang oder geleistet.
Peter war eine Zeitlang nach seinem Ausscheiden
Herrschaftsverwalter in Ungarn und dann Beamter beim Steueramt in
Kaaden. Die Steuerämter unterstanden zu jener Zeit den
Bezirkshauptleuten.
Einmal inspizierte der Kaadener Bezirkshauptmann
Blaschek und machte Peter einen ebenso unbegründeten wie beleidigenden
Vorhalt. Dies erregte Peter dermaßen, daß er Blaschek ein paar
kräftige Ohrfeigen verabreichte. Dies hatte (zwar) zur Folge, daß er
zwar viele Sympathien der Kaadener Bevölkerung erlangte, jedoch seine
Stellung beim Steueramte in Kaaden verlor.
Peter trat sohin
als Kanzelist in die Kanzlei meines Vaters ein und außerdem machte ihn
sein treuer Neffe
Josef, der in Saaz Kreisvertreter der angesehenen
Versicherungsgesellschaft Adriatica Sikurta war, zum Subvertreter
für den Bezirk Kaaden. Als Kanzelist bezog er damals den üblichen
Gehalt von 35 Gulden monatlich. Zu jener Zeit des schriftlichen
Gerichtsverfahrens (Schreibmaschine gab es noch keine) mußte viel
geschrieben werden. Peter schreib schnell, aber er hatte eine flüchtige
Handschrift.
Einmal sandte ihm der Kaadener Bezirksrichter, welchen
Peter gelegentlich aufgezogen
hatte, eine von Peter geschriebene Eingabe mit Gerichtsbeschluß als
unleserlich zurück. Peter geriet darüber so in Zorn, daß er nur mit
Mühe zurückgehalten werden konnte, sogleich zu Gericht zu gehen, um
den Bezirksrichter zu ohrfeigen. Aber im allgemeinen verzieh man ihm
seine humorvollen Neckereien.
Seine Energie und Impulsivität machte sich auch bei
körperlichen Beschwerden geltend. Schmerzte ihn ein Zahn, so ließ er
ihn gleich herausziehen. Ich erinnere mich eines Gespräches, im
Verlaufe dessen mein Vater ihm riet, den schmerzenden Zahn nicht gleich
reißen zu lassen, worauf Peter ihm antwortete : „Was einmal schlecht
ist, das kommt am besten gleich heraus". „ Übrigens ist mein
zahnloser Kiefer so hart, das ich Rebhändelknochen beißen kann."
Allerdings lag in den Landstädten und insbesondere in
Kaaden die Zahnheilkunde noch sehr in den Kinderschuhen. Der einzige
Zahntechniker war ein gewesener Messerschmied, so daß die Skepsis
Peters für eine konservierende Zahnbehandlung nicht unbegründet war,
aber der hatte wenigstens Zangen, was schon ein Fortschritt gegenüber
der Zeit der früheren Generationen war, wo die Zähne mit einem
schlüsselartigen Haken gezogen wurden, recht unsanft. So wurde meiner
Großmutter Rampelt zugleich mit dem Zahn ein Stück Zunge
herausgerissen.
Im August 1891 starb in Neusattl meine Großtante und
Urgroßmutter Juliane von Rampelt. Peter, mein Vater, dessen Bruder
Fritz und ich fuhren zum Begräbnis, welches vormittags stattfand.
Nach dem Essen fand eine kurze Besprechung statt, in
welcher man sich hinsichtlich des sehr beschiedenen Nachlasses dahin
einigte, daß ihre Tochter Klara die Mobilien übernimmt, während das
vorhandene Sparkassenbüchl den Kindern ihrer Tochter Marie zufallen
sollte.
Allerdings blieben nach Abzug der Beerdigungskosten nur
etwas über 280 Gulden übrig.
Peter machte dann die scherzhafte Bemerkung, daß ihm,
nachdem er als Familienältester zu dieser großen Erbauseinandersetzung
seinen Segen gegeben habe, ihm ein entsprechendes Douceur gebühre.
Klara ging auf den Scherz ein und brachte alle im Haus vorhandenen
Rauchwaren und gab sie Peter. Darunter waren zu seiner Freude auch
einige ägyptische Zigaretten. Kaum waren wir wieder im Wagen
eingestiegen, so ließ er es sich nicht nehmen, diese sofort anzuzünden
und als wir in Kaaden wieder ankamen, waren so ziemlich alle verraucht.
Das Verhältnis zu seiner Nichte Klara war immer ein
ungetrübt freundschaftliches, wie sich auch keiner der Brüder dem
Prozeß anschloß, welches die Linie Adolf gegen sie angestrengt hatte.
Klaras erster Mann Franz hatte in seinem Testament
verfügt, daß das Gut Neusattl im Besitz der Familie Schwarzenfeld
bleiben solle. Das oberste Gericht verwarf aber schließlich die Klage,
da die Bezeichnung „Familie" zu unbestimmt sei. Der letzte von
meinem Vater verfasste Pachtvertrag über Neusattl war noch bis zuletzt
in meinen Händen.
Anfang der 90er Jahre verstarb der Besitzer des Guts
Michelsdorf Rudolf Schreitter. Es war in der Familie feststehend und
Rudolf hatte es wiederholt versprochen, daß dieses alte
Schwarzenfeldsche Stammgut einmal Peters Sohn Ludwig erben sollte, der
sich auch deswegen landwirtschaftliche Bildung angeeignet hatte. Zur
allgemeinen Überraschung fand sich ein in den letzten Tagen gemachtes
Testament vor, mit welchem der altersschwache Verstorbene seinem
entfernten Neffen Robert, den er kaum gekannt hatte, zum Erben
einsetzte. Roberts Frau hatte sich hinter den Pfarrer gesteckt, der den
altersschwachen in diesem Sinne beeinflußte.
Doch sollte sich der Erbe nicht lange seines Besitzes
erfreuen. Die aus kleinen Verhältnissen stammende Frau Roberts fühlte
sich als Herrschaftsbesitzerin, ritt mit einem Falken zur Jagd und
langweilte sich im Übrigen in Michelsdorf. Da Robert auch kein Landwirt
war, entschloß er sich das Gut zu verkaufen, in der Annahme mit
Börsengeschäften höhere Erträge erzielen zu können, die jedoch, wie
vorauszusehen war, zur Folge hatten, daß er nach kurzer Zeit ärmer
dastand als vor der Erlangung der Erbschaft.
Das einzig Gute bei dieser Tragödie war, daß das Gut
an einen von Peter gebrachten Käufer veräußert wurde und Peter die
normale Provision bezog, die in diesem Falle mehr als 2000 Gulden
ausmachte.
Peter hatte in den letzten Jahren seine
Versicherungsagentur ausgebaut und da er durch die Provision eine
Reserve erhielt konnte er sich ganz dem Versicherungsgeschäft widmen
und trat aus der Kanzlei meines Vaters aus.
Aber nicht lange sollte er sich seiner
Selbstständigkeit erfreuen. Im Februar 1892 fand das Begräbnis meines
Großvaters Ludwig, Peters Bruder in Kaaden statt. Es war naßkaltes
unfreundliches Wetter, aber Peter versteifte sich trotz aller Warnungen
darauf, an dem Begräbnis ohne Mantel, in seinem schönen schwarzen
Kaiserrock teilzunehmen. Natürlich erkältete er sich, zog sich eine
Grippe zu, schonte sich aber nicht und starb einige Tage nachher an
einer Lungenentzündung.
So schied der rüstige und lebensfrohe Mann vorzeitig
aus dem Leben.
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Copyright Dr.med.Wolfgang von Schreitter
Stand: 03. Oktober 2025.
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